Kindheitserinnerungen - das Wüstenschiff
Bunt war Anfang
der Siebziger Jahre so ziemlich alles. Von der Kleidung einmal ganz abgesehen,
grüne Telefone mit Wählscheiben, Tapeten mit gelb-orangen Ornamenten, bis hin
zu den obligatorischen Pril-Blumen in allen Küchen, die selbst unter Aufbietung
aller chemischen Mittelchen und unzähliger mechanischer Versuche einfach
nicht mehr zu entfernen waren.
Mein Opa war ein ganz besonderer Freund von Farben - bunt und knallig musste
einfach alles sein. Und so blieb es nicht aus, dass auch für das Familienauto
die Lieblingsfarbe meines Opas gewählt wurde: Rot.

Im Winter musste der Kofferraum mit mehreren schweren Steinen beschwert werden, um mit Heckantrieb halbwegs unserer hügeligen Landschaft gewachsen zu sein. Und so gab es jedes Jahr nach dem ersten Schnee immer erst die traditionelle Testfahrt, um zu sehen, ob das eher für südliche Regionen ausgelegte Auto, wieder einmal den strengen Anforderungen der nördlichen Oberpfalz gewachsen war. Die Kinder saßen gespannt im Heck des Autos und fieberten eifrig mit, wenn es darum ging, die erste Steigung zu bezwingen. Unter Jubel, beim Erreichen der Kuppe, waren damit weitere winterliche Ausflugsfahrten schon einmal gesichert.
Wenn sich die
Kinder im Winter auf den kalten, schwarzen Kunstledersitzen fast die Beine erfroren,
wurden sie im Sommer schlichtweg verbrannt. Ohne Klimaanlage auf heißen Sitzen
glichen die Fahrten bei sommerlichen Temperaturen eher Saunagängen und waren
für die Kinder nur erträglich, wenn die Fahrt zum Schwimmen an den
nächstgelegenen Badesee ging. Dann war das "Wüstenschiff"
unschlagbar. In seinem großen Kofferraum, die Steine brauchte es im Sommer ja
nicht, fand alles Platz, was für Badeausflüge unentbehrlich war: riesige
Luftmatratzen, Schwimmflügel, Decken und die schier nie versiegenden Körbe und
Kühltaschen mit Essen und Getränken für die Kinder.
Wenn auf der Rückfahrt, erschöpft und schläfrig von zu viel Sonne und Wasser, mit sonnenverbrannten Gesichtern und Schultern, Mückenstichen an Armen und Beinen, dann endlich unter den Kindern Ruhe einkehrte, brachte sie das „Wüstenschiff" bei gewohnt schaukelndem Fahrgefühl sicher wieder nach Hause zurück. Na ja, meistens jedenfalls. Beim „Wüstenschiff" konnte man ja nie wissen.....
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